Es war gewiss nicht die klügste Entscheidung. Gemeint ist im Fall von Mission: Impossible nicht etwa der notorisch polarisierende zweite Teil, sondern vielmehr die beachtliche Fehlkalkulation seitens Paramount, den siebten Ableger Dead Reckoning ausgerechnet eine Woche vor dem Phänomen „Barbenheimer“ zu starten. Was als einer der meist erwarteten Actionfilme des Jahres galt, verkam binnen Tagen zum Randphänomen – ungefähr so präsent wie eine x-beliebige True-Crime-Serie auf einem Streamingdienst: Man registriert ihre Existenz, verspürt aber wenig Drang, sich näher damit zu beschäftigen. Zu laut, zu grell, zu verlockend war das neonfarbene Doppel aus Barbie und Oppenheimer.
Mit The Final Reckoning – vormals schlicht Dead Reckoning Part Two – will Paramount nun den verlorenen Glanz der Reihe zurückholen. Ob es allerdings besonders weitsichtig ist, sich dafür ausgerechnet mit Disneys Live-Action-Remake von Lilo & Stitch an der Kinokasse zu duellieren, darf bezweifelt werden. Immerhin droht diesmal kein kultureller Super-GAU wie im Sommer 2023. Und auch wenn der Vorgänger über seine zweijährige Lebensspanne eher an Resonanz verloren als neue Begeisterung entfacht hat, bleibt festzuhalten: Seit Phantom Protokoll (für den Verfasser dieser Zeilen nach wie vor der kreative Zenit des Franchises) hat Mission: Impossible keinen wirklich misslungenen Film mehr hervorgebracht.
In gewisser Weise bleibt die Reihe ein filmisches Kuriosum: Blockbuster mit teils absurd hohem Produktionsaufwand – kolportierte 400 Millionen Dollar für Teil acht sprechen eine deutliche Sprache –, die dennoch überraschend körperlich und handgemacht wirken. Sicher, inhaltlich bleibt vieles Schema F: Die dramaturgische Struktur variiert nur in Details, echte Figurenentwicklung sucht man ebenso vergeblich wie tiefgreifende emotionale Schichten. Und wären da nicht Tom Cruise mit seiner ungebrochenen Leinwandpräsenz und die stets aufs Neue verblüffenden Stunts, könnte man seiner Figur des Ethan Hunt langsam überdrüssig werden. Im Grunde serviert Mission: Impossible alle paar Jahre dieselbe Suppe – allerdings mit einer solchen Eleganz und handwerklichen Präzision, dass man sie immer wieder gerne bestellt.
Gerade weil sich die Reihe über Jahre hinweg als Garant für „echtes“ Actionkino behauptet hat – im Gegensatz zu vielen anderen Franchises, die sich im generischen Effektgewitter verlieren –, bleibt sie faszinierend. Hier spürt man noch das Gewicht von Körpern, das Risiko eines jeden Sprungs, den Rausch der Geschwindigkeit und die Lust immer neue Wege zu finden Gefahr auszukosten. Dass Cruise nicht nur Hauptdarsteller, sondern auch mit unerbittlichem Eifer Produzent und Image-Manager ist, hat die Reihe längst auf eine andere Stufe gehoben. Was einst wie der Anfang vom Ende wirkte – man erinnere sich an das berüchtigte Scientology-Video – hat sich über Jahre hinweg in eine fast unantastbare Ikone verwandelt.
Ein wesentlicher Anteil an dieser Wandlung gebührt Christopher McQuarrie, der seit Rogue Nation als Autor und Regisseur federführend ist. Er verpasste der Reihe eine neue narrative Disziplin, jedoch zum Preis stilistischer Vielfalt: Wo einst jeder Teil den Abdruck seines Regisseurs trug, ist Mission: Impossible seit Teil fünf zu einem durchkalkulierten McQuarrie-Produkt geworden – konsistent, aber auch spürbar gleichförmig. Mit The Final Reckoning steht nun nicht nur das vermeintliche Ende dieser Ära an, sondern vielleicht auch der Abschied von Ethan Hunt selbst.
Nur wirkt dieser Abschied nicht wie einer. Zwar versucht der Film penetrant, ein Gefühl von Endgültigkeit, Untergang und Tragik zu beschwören, doch es bleibt oft bei der bloßen Behauptung. Die dramaturgische Schwere, mit der hier alles unterfüttert wird, steht oft im Widerspruch zur Leichtigkeit, mit der die Reihe einst ihr Publikum mitriss. Humor ist rar gesät, die Handlung erstaunlich bleiern. Schon früh bringt McQuarrie seinen besten Gag, spielt gekonnt mit Zuschauererwartungen – und verliert diese Raffinesse im weiteren Verlauf zusehends. Was zunächst noch wie ein etwas überladenes, aber unterhaltsames Abenteuer wirkt, wird zunehmend träge.
Natürlich gibt es sie, die großen Momente: ein spannender Tauchgang in ein verunglücktes U-Boot, eine spektakuläre Luftverfolgung mit kleinen Propellermaschinen – technisch brillant, konzeptionell ambitioniert. Doch diese Szenen bleiben Ausnahmen. Die euphorisierende Wucht eines HALO-Jumps aus Fallout oder die ikonische Burj-Khalifa-Erklimmung aus Phantom Protokoll (2011) erreicht der Film nicht. Die wenigen Actionhöhepunkte verlieren sich zudem oft im Zwang, parallel allerlei andere Konflikte zu bedienen – ein leidiges Stilmittel, das dem Finale spürbar die Dynamik raubt.
Ein weiteres Problem: Die Geschichte ist nicht komplex, aber unnötig kompliziert. Das Drehbuch verschachtelt simple Plotpunkte mit unnötigen Rückgriffen und zahllosen Figuren, die kaum Profil gewinnen. Schauspieler*innen wie Hannah Waddingham (Ted Lasso) oder Nick Offerman (Civil War) sind zwar mit Charisma gesegnet, müssen sich hier jedoch mit flachen Rollen begnügen, die wahlweise den Erzählfluss stören oder schlichtweg überflüssig wirken. Es fehlt nicht nur an Fokussierung, sondern auch an erzählerischer Stringenz.
In dieses Bild fügt sich leider auch der Antagonist Gabriel, gespielt von Esai Morales (Ozark). Schon in Dead Reckoning blieb seine Figur blass, und auch diesmal gelingt es nicht, dem Schurken echte Bedrohlichkeit oder Charisma zu verleihen. Doch auch das hat fast schon Tradition in der Reihe: Konturlose Widersacher gehören zu Mission: Impossible wie Cruise’ halsbrecherische Selbstmordversuche – beides ist Teil des Pakets, auch wenn man sich insgeheim etwas mehr Gewicht auf der Gegenseite wünschen würde.
So bleibt The Final Reckoning ein Film, der nie wirklich aus dem Schatten seiner Vorgänger tritt. Es ist der erste Teil der Reihe, der sich durch und durch wie ein kalkuliertes Franchise-Produkt anfühlt – ein Werk, das spürbar bemüht ist, möglichst viele erzählerische Fäden zusammenzuführen, ohne dabei einen klaren Fokus zu setzen. Selbst der oft (zu Recht) gescholtene Mission: Impossible 2 (2000) wirkte in seiner stilistischen Eigenwilligkeit charaktervoller und individueller als dieser achte Film. Ein Film der definitiv seine Qualitäten besitzt, aber leider auch mehr wie das Ergebnis eines Algorithmus wirkt. Willkommen in der Franchise-Welt, Mr. Hunt.